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Blaue Federlibelle - Platycnemis pennipes (PALLAS, 1771)
Artenprofil von H. Gospodinova & H.-W. Wünsch
Letzte Änderung: 07.07.2012


Systematische Einordnung

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)
Klasse: Insekten (Insecta)
Ordnung: Libellen (Odonata)
Familie: Federlibellen (Platycnemididae)

Fotos (© H.-W. Wünsch (1-4), Jochen Rodenkirchen (5-6))
Horrem (1-3), Wahner Heide (4)


(xxl-Foto)
Männchen
04.07.2010

(xxl-Foto)
Weibchen
27.05.2011

(xxl-Foto)
Weibchen
04.09.2011
Klick auf die kleinen Bilder oder xxl-Ansicht möglich

(xxl-Foto)
Jungtier
16.05.2010

(xxl-Foto)
Männchen
09.06.2010

(xxl-Foto)
Jungweibchen
01.06.2010
Besondere Merkmale

Insekten-ABC, Erklärungen von Fachbegriffen

Woher der Name kommt...
Der Gattungsname Platycnemis ist von dem griechischen "platys" = breit und "knemis" = Beinschiene abgeleitet, was auf die verbreiterten Beinschienen der Art zu beziehen ist. Der Artname pennipes ist von dem lateinischen "penna" = Feder und "pes" = Fuß abgeleitet. Dies beschreibt die langen Beinschienen mit ihren auffallend langen Borsten. Der deutsche Artname bezieht sich auf die blassblaue Färbung der Männchen.

Die Blaue Federlibelle wurde früher häufig als Gemeine Federlibelle bezeichnet. Sie ist die einzige Vertreterin ihrer Gattung in Deutschland. Die ausgefärbten Männchen sind von blassblauer Farbe mit teilweise stark variierenden Schwarzanteilen auf den letzten Hinterleibssegmenten. Die Ausdehnung der Schwarzzeichnung ist von der umgebenden Luftfeuchtigkeit abhängig. Bei trockener Luft werden Schwarzanteile kaum ausgebildet, während bei hoher Luftfeuchtigkeit die Schwarzfärbung zunimmt. Bei Jungtieren ist diese Färbung noch sehr gering bzw. gar nicht vorhanden. Die männlichen Tiere sehen auf den ersten Blick anderen Coenagrioniden (Schlanklibellen, Azurjungfern) recht ähnlich.

 

Portraitaufnahmen der Blauen Federlibelle (Fotos © J. Rodenkirchen (links) & H.-W. Wünsch (rechts) (xl-Fotos per Mausklick)

Der Kopf der Blauen Federlibelle ist jedoch deutlich breiter als der anderer Libellenarten und die Augen stehen dadurch sehr weit auseinander. Des Weiteren ist sie etwas größer als die Azurjungfern.



Männliche Blaue Federlibelle mit den typischen verbreiterten Beinschienen (Foto © H.-W. Wünsch)

Bei den Federlibellen sind die weißlichen Beinschienen, mit dem für die Art charakteristischen schwarzen Mittelstrich das Haupterkennungsmerkmal. Die Schienen der Hinter- und Mittelbeine (Tibien) sind verbreitert und mit fischgrätenartigen Dornen besetzt, die in ihrem Aussehen stark an eine Feder erinnern (> deutscher Artname). Bei den Weibchen fehlt jeglicher Blauanteil. Die Art zeigt demnach einen deutlichen Sexualdimorphismus.



Blaue Federlibelle: Oben und Mitte Männchen (Fotos © J. Rodenkirchen), unten Weibchen (Foto © H.-W. Wünsch)

Die Schwarzzeichnung auf dem Thorax beider Geschlechter ist nahezu gleich, auf dem Abdomen jedoch verschieden. Die Weibchen sind als erwachsene Tiere in ihrer Grundfarbe braun-beige gefärbt. Auch sie verfügen über verbreiterte Beinschienen an den Hinter- und Mittelbeinen. Da ganz junge Tiere fast vollständig weiß wirken, können sie bei flüchtiger Betrachtung leicht mit der Weißen Federlibelle (Platycnemis latipes) verwechselt werden. Diese wurde bisher jedoch in Deutschland noch nicht nachgewiesen.

Körperlänge: 35 mm
Flügelspannweite: 45 mm

Lebensraum
Platycnemis pennipes pflanzt sich sowohl an Stillgewässern verschiedener Größe, als auch an Fließgewässern mit guter Wasserqualität und reichlichem Bestand an Wasserpflanzen fort. Somit besiedelt sie ein breites Spektrum stehender, sowie langsam und schnell fließender Gewässer, wobei ein hoher Nährstoffgehalt ausschlaggebend ist. An Flüssen, Gräben und Kanälen lebt sie überwiegend in Bereichen mit geringer Strömung. Dort kann sie in Massen auftreten. Kleinere Bestände siedeln in Kiesgruben, Altwassern und Auenlandschaften. Selbst kleine und verhältnismäßig tiefe Gewässer werden von ihr als Habitat angenommen. Im Vergleich zu anderen Kleinlibellen (Zygopteren) wird sie häufig an fischreichen Teichen und Seen angetroffen. An intensiv bewirtschafteter Fischzucht und an Angelteichen ist sie oft die einzige Kleinlibellenart.



Junges Weibchen der Blauen Federlibelle, Foto © J. Rodenkirchen (xxl-Foto per Mausklick)

Sie fliegt sehr gerne an Weihern mit dichten Ufergehölzen oder Schilfgürteln. Temporärgewässer die zum Austrocknen tendieren oder Kleingewässer z. B. an Mooren werden von der Art gemieden. An Bächen und Wassergräben lebt die Blaue Federlibelle oft mit der Gebänderten Prachtlibelle (Calopteryx splendens) und an Teichen und Seen gerne mit der Großen Pechlibelle (Ischnura elegans) und der Frühen Adonislibelle (Pyrrhosoma nymphula) vergesellschaftet. Von der Jugendzeit bis zur Geschlechtsreife hält sich die Art vorwiegend auf freien Uferwiesen auf. Als Jagd- und Nahrungshabitat dienen benachbarte Röhrichte, Waldsäume, Wege und Lichtungen, die auch einige hundert Meter vom angestammten Gewässer entfernt liegen können.

Biologie und Lebensweise
Bei günstigen Witterungsverhältnissen beginnt Platycnemis pennipes bereits Ende April zu schlüpfen. Anfang Mai nehmen die Emergenzen der Art stark zu. Die Hauptabundanz liegt zwischen Ende Mai und Ende Juni.

   
 

Schlüpfende Blaue Federlibelle in der Wahner Heide (Köln), Fotos © H.-W. Wünsch (xl-Fotos per Mausklick)

Vom Schlüpfen bis zum Erlangen der Geschlechtsreife benötigen die Imagines 11 bis 25 Tage. Während dieser Zeit färben sie sich aus und erhalten ihre charakteristische, variable Zeichnung. Die Blauen Federlibellen sind relativ schlechte Flieger und setzten sich sehr oft in der Vegetation ab. Zur Paarungszeit suchen die Männchen am Gewässerufer tagsüber aktiv nach Weibchen. Ein Territorialverhalten ist ihnen fremd. Begegnen sie auf ihrer Partnersuche anderen Männchen, gehen beide in den Rüttelflug über und präsentieren die breiten weißen Tibien (Beinschienen) mit den starken Dornen, ohne dass es zu einer Attacke gegen den Rivalen kommt. Bei den ausgedehnten Suchflügen nach Weibchen geraten die Federlibellen hin und wieder in die Fallen diverser Prädatoren, wobei Spinnennetze die größte Gefahr darstellen. Hier hat die Art gegenüber anderen Kleinlibellenarten einen "Vorteil". Ihre federartigen Beine besitzen Sollbruchstellen, mit deren Hilfe sie sich unter Verlust einiger Beinteile aus den Netzen befreien können.
Die Männchen reagieren meist nur auf vorbeifliegende Weibchen. Sitzende potentielle Geschlechtspartner werden größtenteils außer Acht gelassen.



Männliche Blaue Federlibelle, Foto © J. Rodenkirchen (xxl-Foto per Mausklick)

Die Weibchen werden von den Männchen im Flug zur Bildung eines Tandems ergriffen. Paarungsunwillige Weibchen lassen sich vor dem sie verfolgenden Männchen einfach ins Gras fallen und sind somit für diese unattraktiv bzw. nicht mehr erreichbar. Bereits verpaarte Weibchen signalisieren ihre Unwilligkeit zur erneuten Paarung durch das Krümmen ihres Abdomens nach oben, wobei sie in einen ruckartigen Steigflug übergehen.



Junge weibliche Blaue Federlibelle, Foto © J. Rodenkirchen

Gelingt einem Männchen die Ergreifung einer paarungsbereiten Partnerin, so verhält sich diese in der Tandemformation sehr passiv und unterstützt den Paarungsflug so gut wie nicht. Alsbald setzt sich das Tandem in der Vegetation nieder und versucht ein Paarungsrad zu bilden.



Paarungsrad (Kopula) der Blauen Federlibelle, Foto © H.-W. Wünsch, 04.07.2010 (xxl-Foto per Mausklick)

Diese Radbildung wirkt sehr mühsam und führt meist erst nach einigen Versuchen, bei denen das Männchen das Weibchen unterstützt, indem es das Abdomen des Weibchens zwischen seine hinteren Beinschienen klemmt und zu seinem Kopulationsorgan führt, zum Erfolg. Bei windigem Wetter kann eine Kopulation der Art unmöglich werden. Die eigentliche Paarungszeit ist von ihrer Dauer her sehr schwankend. In der Literatur werden Kopulationszeiten zwischen 7 und 75 Minuten angegeben. Nach erfolgter Paarung fliegt das Tandem auf und sucht nach geeigneten Eiablageplätzen. Hierbei wird nach bereits eierlegenden Artgenossen Ausschau gehalten. Wird ein Ort bereits von anderen Paaren genutzt, gewinnt dieser offenbar an Attraktivität, sodass sich kurze Zeit später mehrere Tandems dort einfinden, um ihrerseits Eier abzulegen.



2 Tandems der Blauen Federlibelle bei der Eiablage, Foto © H.-W. Wünsch, 11.06.2010 (xxl-Foto per Mausklick)

Diese Gruppen eierlegender Paare signalisieren einen "feindfreien Raum" ohne Prädatoren wie Frösche oder Fische, sodass eine ungestörte Eiablage gewährleistet ist. Als Eiablagesubstrat wird der Stängel der gelben Teichrose stark bevorzugt. Ein Weibchen kann an einer einzigen Pflanze innerhalb von 45 Minuten bis zu 200 Eiern ablegen. Die gesamte Eiablagephase eines Weibchens beträgt etwa 90 Minuten. Während der Eiablage tauchen die Tiere nur ganz selten unter.

Die Embryonalentwicklung der Larven dauert etwa 12 Tage. Die Larven überwintern in verschiedenen Stadien und benötigen für die Entwicklung zur Imago je nachdem ob die Eier früher oder später im Jahr abgelegt werden, durchschnittlich ein bis zwei Jahre.

Nahrung
Als langsame und wenig ausdauernde Flieger erbeutet Platycnemis pennipes Mücken, Schnaken und kleine Fliegen während des Fluges. Hierzu werden die Beine als Fangkorb eingesetzt.

   

Junge weibliche Blaue Federlibellen, Fotos © J. Rodenkirchen (xxl-Fotos per Mausklick)

Die Beute wird anschließend in der Vegetation sitzend verzehrt. Bei der Jagd vermeidet die Art Flüge über weite offene Flächen, vermutlich da sie dort leichte Beute von Schwalben werden könnte.

Die Larven ernähren sich, in dichter Unterwasservegetation versteckt, von den Larven kleiner Insekten und winzigen Krebsen.

Verbreitung in D/Welt
Die Blaue Federlibelle gilt als ursprünglich ponto-kaspisches (Donaudelta des Schwarzen Meer, Kaspisches Meer und Aralsee) Faunenelement und ist vermutlich mit der letzten Eiszeit über die großen Flusstäler nach West- und Mitteleuropa eingewandert. Sie ist fast überall in Mitteleuropa verbreitet. Die nördliche Verbreitungsgrenze bildet Südengland, im Westen reicht ihr Vorkommen bis in die Pyrenäen. Ostwärts besiedelt sie halb Sibirien, im Südosten die Türkei. Weiterhin ist sie in der gesamten Ägäis verbreitet.



Männliche Blaue Federlibelle, Foto © J. Rodenkirchen (xxl-Foto per Mausklick)

In Deutschland kommt sie vom Alpenvorland in Höhen von unter 1.000 Metern bis in den Norden fast flächendeckend vor. Die Rheinebene gilt als ihr bundesweiter Verbreitungsschwerpunkt.

Verbreitung in NRW
Als Art mit einem breiten Spektrum an Lebensräumen besiedelt die Blaue Federlibelle mehrere Typen von Still- und Fließgewässern. So findet man die Tiere ab Anfang Mai an sehr vielen vegetationsreichen Ufern von Baggerseen, Weihern, Fischteichen, kleinen bis mittelgroßen Gräben, Bächen und Flüssen vorzugsweise in thermisch begünstigten Lagen mit langer Sonnenscheindauer. Siehe hierzu auch "Lebensraum".



Blaue Federlibelle "in Deckung" hinter einem Grashalm, Foto © H.-W. Wünsch, 10.05.2010

Die Art gilt in Deutschland aufgrund ihrer wenig anspruchsvollen Lebensraumwahl als nicht gefährdet. Sie steht jedoch, wie alle Libellen, gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz und der Bundesartenschutzverordnung unter strengem Schutz.
NRW-Verbreitungskarte der Blauen Federlibelle des Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen.

Benutzte Literatur
BELLMANN, H. (2007): Der Kosmos Libellenführer: Die Arten Mitteleuropas sicher bestimmen. Kosmos (Franckh-Kosmos). 279 S.

DIJKSTRA, Klaas-Douwe B. (2006): Field Guide to the dragonflies of Britain and Europe. British Wildlife Publishing Ltd. 320 S.

GESELLSCHAFT DEUTSCHSPRACHIGER ODANOTOLOGEN (GDO) (2009): Libellula Supplement 9: Atlas of the Odonata of the Mediterranean and North Africa.

GESELLSCHAFT DEUTSCHSPRACHIGER ODANOTOLOGEN (GDO) (2010): Libellula, Supplement 10, Studien zur Libellenfauna Griechenlands.

GLITZ, D. (2009): Libellen-Geländeschlüssel für Rheinland-Pfalz und das Saarland. NABU Rheinland-Pfalz & NABU Saarland. 109 S.

HEIDEMANN, H. & R. SEIDENBUSCH (2002): Die Libellenlarven Deutschlands - Handbuch für Exuviensammler. Keltern: Goecke & Evers.

HILL, B., H.-J. ROLAND, S. STÜBING & C. GESKE (2011): Atlas der Libellen Hessens. – FENA Wissen, Band 1: 184 S.; S. 152 ff.

KUHN, K. & K. BURBACH (1998): Libellen in Bayern. Eugen Ulmer, Stuttgart. S. 176 ff

STERNBERG, K. & R. BUCHWALD (2000): Libellen Baden-Württembergs, Bd. 1, Kleinlibellen (Zygoptera). Ulmer Verlag. 468 S.

Internet: www.waldschrat-online.de:: H. Gospodinova & H.-W. Wünsch: Die Libellen Nordrhein-Westfalens. 3. aktualisierte Auflage 2011 (CD-ROM Band 2: Kleinlibellen).

WENDLER, A. & NÜß, J.-H. (1991): Libellen: Bestimmung, Verbreitung, Lebensräume und Gefährdung aller Arten Nord- und Mitteleuropas sowie Frankreichs unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands und der Schweiz. - Hamburg: DJN 1991, 129 S.

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Weitere Informationen zu Libellen (Odonata) im Internet

Arbeitskreises zum Schutz und zur Kartierung der Libellen in Nordrhein-Westfalen: Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste

Schutzgemeinschaft Libellen in Baden-Württemberg e.V. (SGL): Infos, Kontakte, Fotos, Links, Artenliste, Kartierung, Biologie, Ökologie usw.


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